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Grafenwöhr und der Spanische Erbfolgekrieg
Eine Brandschatzung vor 300 Jahren


Olaf Meiler

„Wo sich die Elefanten bekämpfen, hat das Gras den Schaden“, so lautet ein Sprichwort aus Tansania. Die globale Wahrheit dieser Weisheit bezeugt auch ein Ereignis, das vor 300 Jahren der Stadt Grafenwöhr widerfahren ist, als sie, mitten im Spanischen Erbfolgekrieg von feindlichen Truppen eingenommen, gebrandschatzt und geplündert wurde. Es war ein kleiner Weltkrieg in dem Frankreich und Bayern gegen die verbündeten Mächte Österreichs, Englands, den Niederlanden, Dänemark und den anderen deutschen Reichsländern stand.

Die Brandschatzung Grafenwöhrs

Grafenwöhr wurde auch zu einem der ersten Opfer des Krieges. Kaiserliche Truppen waren im März 1703 in die Oberpfalz vorgerückt. Schon nach wenigen Wochen erwählten sie Grafenwöhr als Ziel ihrer Heimsuchung. Hermann Schenkl berichtet darüber in seiner Geschichte der Stadt Grafenwöhr:

„Am 19. April 1703 erschien General Palfi mit einer Abteilung dänischer Miliztruppen vor den Toren Grafenwöhrs und begehrte Einlaß. An Widerstand war nicht zu denken und so blieb den Bürgern nichts anderes übrig als mit den Feinden zu unterhandeln. Eine Brandschatzung von 600 fl rettete die Stadt wenigstens vor der Einäscherung.

Dagegen mußten die unglücklichen Bewohner eine Plünderung über sich ergehen lassen. Besonders hatten es die Feinde auf Vieh, Getreide und Bier abgesehen. Fast alle Ochsen wurden weggetrieben. Erst 1708 wurden die beraubten Bürger dafür mit 12-18 fl pro Stück entschädigt. Schlimm hausten die Plünderer in der Pfarrkirche. Sämtliche Altargefäße und Ornate verschwanden in ihren Säckeln. Die Altäre selbst, sowie auch die Kanzel verfiel der Zerstörung. Sogar die Laden der einzelnen Zünfte waren nicht sicher.“ Sowohl die Zunftgelder und Zunftordnungen, Handwerksprotokolle und Meisterbücher als auch die zinnernen und silbernen Kannen wurden geraubt.1
„In den Privathäusern durchwühlten sie Kisten und Kästen und nahmen mit was ihnen gefiel. Dabei ging es ohne Mißhandlungen nicht ab.

Der bürgerliche Maurermeister Koberger verfiel ob des ausgestandenen Schreckens in Wahnsinn und verblieb in diesem unglücklichen Zustande bis zu seinem Tode. Noch nach Jahren kehren in den Gemeinderechnungen Ausgaben wieder für die Unterstützungen, welche die Kobergerin für ihren „unsinnigen“ Mann empfing.

Die ganze Plünderung hatte bloß einige Stunden gedauert, trotzdem entstand ein Schaden von über 1000 Talern.

Von hier aus begab sich der feindliche Haufen nach Eschenbach, dann nach Kemnath. Pres-sath mußte 400 fl erlegen und ebenfalls Getreide und Vieh liefern. Es befand sich in den umliegenden Ämtern kein Ort, der nicht heimgesucht und schwer geschädigt worden wäre.“ 2

Die Folgen für das Land

Ganz Bayern kam in den Folgejahren unter österreichische Besatzung die das Land mit unerbittlicher Härte verwaltete. 1705 kam es in Grafenwöhr zu einer weiteren Brandschatzung, diesmal durch Brandenburger Truppen, die die Stadt um 1000 fl. brachten. Außerdem mußten einige Bürger mit ihren Zugtieren die von Waldeck abziehenden dänischen Truppen mit „Einspanndiensten“ bis nach Deggendorf begleiten. Zu allem Überfluß hatte sich nicht nur der Kriegsgott gegen die Stadt verschworen. 1708 vernichtete eine große Feuersbrunst 55 Wohnhäuser in Grafenwöhr.3
Die Jahre darauf, 1709 und 1712-14 sorgten mit einer Reihe kalter Winter und feuchter Sommer für erhebliche Ernteausfälle, die in der ganzen Region die Menschen in Not brachten.

Beseitigung der Kriegsfolgen

Die Bürger Grafenwöhrs waren arm dran. Sie mußten über Jahre in einer schmucklosen, ausgeplünderten Kirche ihre Gottesdienste abhalten. 1708 wandten sich Bürgermeister und Rat an Papst Clemens XI., mit der Bitte, der 1703 total ausgeplünderten Kirche, die ohne Heiligenbilder und Reliquien sei, aus dem Kirchenschatz einen heiligen Körper zu spenden. Es dauerte zwei weitere Jahre, ehe auf Vermittlung oder als Geschenk (die Quellen sind hier nicht ganz eindeutig) des Administrations-Sekretärs zu Mantua, Melchior Ernst von Riesenfeld, zwei Kästchen, gefüllt mit Reliquien von Rom geschickt wurden. Es handelte sich um Reliquien der Märtyrer Abundatius, Fortunata, Clara, Gaudiosus, Liberata, Victoria und Bonus. In einem Schreiben vom 28. September 1710 4 wandte sich die Bürgerschaft an den Kaiser, um Geldmittel zur Fassung dieser Reliquien zu erlangen. Leider vergeblich. So mußte die Pfarrgemeinde in die eigene Tasche greifen und beauftragte 1720 die Klosterfrau Maximiliane Widerspergerin aus dem Kloster Chodeschau mit der Fassung der Reliquien. Die Reliquienkästchen wurden von dem Auerbacher Joh. Michael Doser geschnitzt. 5

Weitere Ausstattungsgegenstände der Kirche verdankt Grafenwöhr einem edlen Spender, Wolf Dietrich Mayr, der als Zahlamtsgegenschreiber in München zu Wohlstand gekommen war und nach und nach dazu beitrug der ausgeplünderten Kirche ihren alten Glanz wiederzugeben. 1713 schenkte er seiner Heimatpfarrei ein neues Meßbuch und 1720 eine neue Monstranz. 1726 stiftete er einen neuen Hochaltar und 1731 eine neue Kanzel, beide ebenfalls geschnitzt von Joh. Michael Doser. Ganz nebenbei stiftete er noch Kelche, Opferkännchen, ein Kruzifix und andere wertvolle Arbeiten 6, so daß die alte Pfarrkirche ihren heutigen Glanz seiner Wohltäterschaft verdankt. Ihm zum Andenken ist die Straße, die von der Kirche zur Unteren Torstraße führt, nach seinem Namen benannt worden.

Man ersieht aus den Jahresangaben, wie lange die Kirche brauchte, ehe die Schäden aus der Plünderung von 1703 behoben waren. Wie lange die Bürger warten mußten, ehe sie ihr weggetriebenes Vieh, gestohlenes Geld und andere Wertgegenstände wieder erwirtschaftet hatten, darüber gibt keine Quelle Auskunft. Auch hier mögen es Jahre oder Jahrzehnte gewesen sein.

1 StA Amberg, Opf. Handwerksordnungen Nr. 64.
2 Schenkl/Richter, Geschichte der Stadt Grafenwöhr, S. 158 und 289.
3 Schenkl/Richter, Geschichte der Stadt Grafenwöhr, S. 290/91.
4 Angaben nach einer Abschrift aus dem Pfarrarchiv von Leonore Böhm.
5 Leonore Böhm, Gotteshäuser in Grafenwöhr, Lindenberg 2003, S. 4.
6 Schenkl/Richter, Geschichte der Stadt Grafenwöhr S. 220/221 und Leonore Böhm, Gotteshäuser in Grafenwöhr, Lin- denberg 2003, S. 4-8.